Es war ursprünglich die Idee von Wolfgang Krinninger gewesen, Videos
mit Lyrik- bzw. Literaturclips zu drehen. Zunächst realisierte er mit
mir den "Videobrief an Mr. Hyde". Weitere Produktionen folgten, bei
deren Idee und Umsetzung auch Christina Moratscheck wesentlich beteiligt
war. Die Videobänder führten wir bei diversen Vernissagen und Kunst-Events
vor. Zu einer professionellen Produktion im Sinne von Verkaufs-Videos
kam es bislang nicht, und dies war auch nicht beabsichtigt. Was wir
wollten, stand auf den Zetteln, die die Zuschauer bei Vorführungen der
Demo-Videos in die Hand bekamen:
VORBEMERKUNG
ZU LYRIKCLIPS / LITERATUR-CLIPS
Wenn heute
Lyrik ins Bild gesetzt wird, so geschieht das meist in der Form, dass
ein dekoratives visuelles Motiv den atmosphärischen Rahmen für einen
Text abgibt, den ein professioneller Sprecher im Off vorträgt. Die
Bilder sind in der Regel starr, enthalten keine Dramaturgie, erzählen
keine Geschichte, sondern sind mehr oder weniger gelungene Kommentare,
bestenfalls textkonforme Stimmungsträger. Die andere Variante, den
Dichter, seine Texte lesend, abzufilmen, ist selten von optischem
Reiz. Live-Mitschnitte von öffentlichen Auftritten oder in privatem
Rahmen inszenierte Lesungen und Interviews haben meist nur dokumentarischen
Wert. Mit "WORTBRUCH", "GESTÄNDNIS", "MR.HYDE" wird ein neuer Weg
versucht. Der Dichter liest seine Texte nicht, er stellt sie dar.
Die ausgewählten Szenarien sind als äußere und innere Entsprechungen
des Textes sichtbar. Was die Kamera abtastet, hat unmittelbaren ästhetischen
und semantischen Kontext. Nicht zufällig kommen z.B. auch "Bilder
im Bild" vor oder spielen Gläser, Spiegel und Brillen eine Rolle,
was dem mehrschichtigen Bedeutungsgehalt des Textes und seiner Identitäts-
und Erkenntnisproblematik Rechnung trägt. Die von Wolfgang Krinninger
getroffene Auswahl und Kombination von Texten und Textfragmenten verfolgt
die Absicht, sinnliche Wahrnehmung zu einem Texterlebnis zu verdichten
und einerseits die Bildkraft von Lyrik, andererseits die Ausnahmesituation
lyrischer Existenz augenfällig zu machen. Den Herausforderungen und
Rezeptionsgewohnheiten des Medienzeitalters, die im Video-Clip prägnante
Form gefunden haben, muss man sich stellen. Dass dies geschehen kann,
ohne den Ausgangspunkt, die literarische Form, zu verraten oder zu
zerstören, wollte hier gezeigt werden. Die auf dem Demo-Band verwendeten
Texte stammen aus folgenden Büchern von Manfred Ach: "Das Himmelsalphabet"
(1989), "Gefährlich ist der bunte Rock" (1990) und "Alte Fotos" (1990).
VORBEMERKUNG
ZU "BIOADAPTER. Drei Übertragungen"
Die drei
literarischen Quellen, die ich hier angezapft und für mich passend
gemacht habe, sind nicht nur Vorlage für sprachliche Übertragungen
von der Weltliteratur ins Bairische, sondern auch existentielle Übertragungen:
vom beschriebenen Papier ins Innerste unserer Situation. Warum mir
das Bairische hier zweckdienlich erschien, hat mehrere Gründe. Ich
möchte drei davon nennen:
- Das
Bairische ist grundsätzlich. Was nicht heißen soll, dass es keine
Zwischentöne gibt, aber sie sind in diesem Fall nicht charakteristisch.
Für komplizierte Selbstreflexion reicht der Atem nicht. Und wo
Redundanz auftritt, ist es der Schlag in immer dieselbe Kerbe.
- Das
Bairische ist maulfaul. Dem entsprechen langsame Bewegungen,
die Wörter werden aus dem Mund gerollt wie schwere Bierfässer.
- Übertragungen
ins Bairische sind Vereinfachungen im Sinne von Verdeutlichungen,
Reduktionen auf das Wesentliche, Einbettungen ,in
ein existentielles Liegebedürfnis, in eine Niederlage.
Der bedeutsamste
Text des Spätmittelalters, eine Parabel Franz Kafkas und einer der
letzten Texte Samuel Becketts werden hier ausschnitthaft miteinander
verbunden. Der Zusammenhang sollte einleuchten. Oder heimleuchten.
Die
auf dem Demo-Band verwendeten und von Manfred Ach ins Bairische übertragenen
Texte sind Auszüge aus: "Der Ackermann aus Böhmen" (Johannes von Tepl),
"Die Prüfung" (Franz Kafka) und "Aufs Schlimmste zu" (Samuel Beckett).